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Reisebericht Chicago Marathon

Mein 33. Marathon

47.000 Teilnehmer: innen, ein neuer Weltrekord und ich steh mitten drinnen.

Chicago

Einleitung

Das Startticket zum Marathon in Chicago hatte ich seit 2019. Jedoch kam dann die Pandemie, anschließend und daraus resultierend gab es viele organisatorische Aufgaben rund um den ASICS Österreichischen Frauenlauf zu managen, sowie wenig Zeit für das intensive Marathon-Training. Wieso, weshalb und warum ich mich dann doch entschlossen habe dieses Jahr an den Start zu gehen und wie die komplette Reise war……….

 

Vorbereitung

Chicago

Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich wirklich noch einmal einen Marathon laufen möchte, vor allem in Bezug auf das Training davor, weil ich einfach weiß, dass es sehr intensiv und zeitaufwändig ist. Ich habe mir auch die Frage gestellt, ob ich es neben meinen beruflichen Verpflichtungen noch meistern kann.

Die finale Entscheidung – ja, ich werde, YES I WILL – ist nach dem 35. ASICS Österreichischen Frauenlauf gefallen.

Vor dem Beginn des Marathontrainings war für mich klar, dass ich bei Dr. Robert Fritz in der SPORTordination einen sportmedizinischen Check und eine Leistungsdiagnostik bei Sportwissenschaftler Mag. Michael Koller machen werde und in Folge auch meinen Trainingsplan für die kommenden 10 Wochen von Mike erstellen lasse.

Am 31. Juli bekam ich das „Go“ für das Training und bereits am nächsten Tag startete ich meine ersten Intervalle.

Das Marathon Training

Chicago

 

Mein großes Ziel war es, die 42,195 km unter 5 Stunden zu meistern, welches laut meinem Trainingszustand auch möglich sein sollte.

Von vornherein war für mich klar, dass ich gut auf die Signale meines Körpers achten muss, um mich nicht zu überlasten. Mein Trainingsplan war eher konservativ (mit vielen Radeinheiten, die oft 4 Stunden lang waren) und ich sollte die Laufeinheiten lieber auslassen, als mich zu überlasten.

Das Training war generell intensiv und anspruchsvoll. Aber durch den supertollen, genau auf mich abgestimmten Plan von Mike, konnte ich mich in den folgenden Wochen relativ rasch weiterentwickeln.

Aber auch nach vielen Wochen der Vorbereitung war bei mir die Vorsicht großgeschrieben. Nach jedem Training war ich nicht nur erleichtert, es geschafft zu haben, sondern auch darüber, dass nichts schmerzt oder weh tut. Zu sehr war bei mir noch die Verletzung von 2019 verankert, als ich 2 Wochen vor meinem Start zum NY City Marathon verletzungsbedingt nicht antreten konnte. Und da war ich 4 Jahre jünger 😊

Einprägenste Trainingseinheiten

radln

Hier ein paar wunderschöne Trainingseinheiten, an die ich mich sehr lange erinnern werde.

Mit Sylvia – die vielen Radtouren. Jede Woche haben wir uns mindestens 1 x in der Früh bereits um 6.00 Uhr auf der Hauptallee getroffen, denn manche Einheit war 3-4 Stunden lang. Mit Lisi und Petra – die Intervalltrainings, die einfach so schnell vorbei waren. Bei den Longjogs waren oft Hanni und Martina zur Stelle. Danke euch allen, die mich unterstützt haben.

Bei strömenden Regen hinaus mit dem Wissen, dass das Training jetzt 150 Minuten dauern wird. Aber das Gefühl danach ist unbeschreiblich! Es gibt dann genau den Kick, den man benötigt um weiter zu machen, und vor allem ist es wichtig, dass die Freude bleibt, dran zu bleiben.

Am Anfang und auch oft während dem Training, habe ich es mir nicht vorstellen können, dass ich die knapp unter 7 Minuten pro Kilometer auf die 42,195 Kilometer durchhalten werde können.

Ein weiteres Training ist mir besonders in Erinnerung geblieben, nicht nur weil es intensiv und hart war, sondern weil ich danach wusste – es kann funktionieren! Es sind noch 3 Wochen bis zum Marathon. In dieser Woche waren am Freitag und am Sonntag zwei besonders intensive Trainingseinheiten geplant und ich wusste, an beiden Tagen muss ich diese Trainings alleine machen.

  • Freitag: 21km je 7km in 7:30 pro km / 7:00 pro km/ 6:30 pro km
  • Sonntag: 12x800m in 5:15-4:45

Beide Trainings sind gut gelaufen und haben mir gezeigt – ich kann es schaffen, wenn natürlich alles passt.

Ganz wichtig war auch, dass neben dem Lauftraining 2 Mal die Woche Stabilitäts- und Kräftigungsübungen am Programm standen und ich wirklich keine ausgelassen habe.

Die viele Radeinheiten, die mir super gelungen sind, waren alle outdoor, nur einmal bin ich am Ergometer gesessen. Eine meiner schönsten, aber zwar anstrengendsten Radeinheit waren die 69 km mit meinen Freundinnen Sylvia und Martina nach Bratislava. Nachdem der Frauenlauf in Bratislava genauso ein Fixtermin für mich war, wie mein Training, bin ich dann am nächsten Tag die 4 km beim Frauenlauf gelaufen.

Trainingsendspurt

Das letzte Training mit Gitti und Andrea 3-mal 7 km waren geschafft! Wie schön das Gefühl, bald geht es los!!

In Chicago

flughafen

Im Koffer: Laufbekleidung für alle möglichen Wetterbedingungen und 2 Paar Laufschuhe für den Marathon, da ich mir noch nicht sicher war, mit welchem Paar ich laufen werde. Mit dem ASICS Nimbus, mit dem ich viele Monate davor trainiert habe, oder mit dem neuen bunten ASICS Gel Nimbus 25, der sich super anfühlte, ich damit aber nur wenige Trainings absolviert hatte. Erst 2 Tage vor dem Marathon habe ich mich für das neuere Paar entschieden. Und die Entscheidung war gold richtig!! 😊

Ankommen in Chicago – für mich der erste Lauf am frühen Morgen. Um 6.15 Uhr raus aus dem Hotel,  erlebte ich die aufgehende Sonne am Michigan See, ließ die Sonne auf mein Gesicht strahlen und genoss den Morgen. Hinter mir die Skyline von Chicago, die von einer Minute auf die andere von der Sonne beleuchtet wurden.

Mit mir sind bereits 100e Läufer:innen entlang des Lake Michigan unterwegs. Einen Moment lang denke ich zurück an das Jahr 1986, als ich zum ersten Mal in New York im Central Park gelaufen bin und damals davon fasziniert war, wie viele um diese Zeit unterwegs waren.

 

Zurück im Hotel – oh Schreck – ich habe zu Hause mein Peeroton MVD vergessen.

Dieses Sportgetränk gehört schon seit Jahren zu meinem Trainingsalltag, ist in den USA nirgends zu kaufen und war fix für meine persönliche Verpflegung während des Marathons eingeplant.

OMG – was tun. In Wien ist es 16.30 Uhr und ich rufe im Büro an. Ich habe einen Gedanken – es gibt eine Möglichkeit, dass ich dieses Pulver noch bekommen kann. Ich weiß, dass Barbara, eine Trainerin unseres Frauenlauftraingingsstandorts Schönbrunn am nächsten Tag auch nach Chicago fliegt. Jetzt beginnt die perfekte Planungskette/Organisation/Lieferkette von meinem Büro aus - Aneta kann Barbara telefonisch erreichen. Sie vereinbaren, dass sie sich am nächsten Morgen um 8.00 Uhr am Flughafen Wien Schwechat zur „Übergabe“ treffen. 10 Stunden später überreicht mir Barbara in Chicago meine Peeroton Dose. Liebe Barbara und liebe Aneta – danke euch.

familie

Am Donnerstag, nachdem ich die Startnummer abgeholt hatte, bestand meine Familie (mein Bruder, meine Nichte und mein Neffe waren mit mir mitgeflogen und waren total nervös) darauf, dass es notwendig ist, einen detaillierten Plan auszutüfteln, an welchen Punkten sie während dem Marathon stehen werden. Sie haben es schlussendlich geschafft, mich an 5 verschiedenen Stellen (bei km 7,15, 22, 28 und 35) mit Peereton zu versorgen und mich natürlich anzufeuern.  

An dieser Stelle, lieber Mike, bitte nicht weiterlesen, denn dein Plan für die letzten Tage hat ganz anders ausgesehen. Nur – in der Früh aufstehen und den Tag mit Laufen und Gehen am Michigan See zu beginnen – musste einfach sein, und hat meiner Seele so gut getan.

Am Samstag stand locker 20´ laufen, am Trainingsplan - davon 4x eine Minute im Marathontempo – also so ca. 7 Minuten. Es ist mir nicht schwergefallen – aber die Vorstellung, dies am nächsten Tag 42 Kilometer lang zu machen…..Da kommt dann doch, auch wenn man schon 32 Marathons gelaufen ist, kurz der Gedanke: schaffe ich das wirklich?

Chicago

Man ist in einer der tollsten Städte – Sightseeing vor dem Marathon – ja/nein

Die letzten Tage vor dem Marathon vergingen wie im Flug, und ich habe versucht, mich nicht nur auf den Lauf zu fixieren, sondern auch das Sightseeing und die Zeit mit der Familie zu genießen. Die Architektur von Chicago ist einzigartig und das Laufen am wunderschönen Lake Michigan gibt noch extra Kraft. Eine entspannte Bootstour, und doch sind am Mittwoch noch 15 km zu Fuß zusammengekommen. Aber je näher der Sonntag herangerückt ist, um so bewusster habe ich dann aufgepasst und Bus, Bahn oder das Fahrrad genutzt. Aus meiner Sicht - Sightseeing und Marathon sind definitiv vereinbar!

Der große Tag

Chicago

Schlaf: kurz aber sehr gut, stehe um 4.15 Uhr auf.

Wetter: optimal, ca 6 Grad, bewölkt, ein wenig windig, am Start ein wenig zu kühl

Frühstück: hole mir mit meiner Thermoskanne heißes Wasser und mische mir das instand oatmeal an

Es ist bereits mein 33. Marathon – man weiß was alles passieren kann, der Respekt ist da und man geht ehrfürchtig an das Rennen ran. Es ist eine Reise, ein spannendes Abenteuer, denn es kann während dem Rennen immer etwas passieren. Magenprobleme, Krämpfe uuuu. Ich fühle mich stark, und freue mich darauf.

Um Punkt 7.00 Uhr verlasse ich das Hotel und laufe ganz locker die 15´ zum Check-in meines Gates.

Weitere 50.000 Marathonis mit mir.

Chicago

In einer Stunde wird es so weit sein. Dann fällt der Startschuss für die 2. Welle mit den Blöcken E, F, G und H.

Ich spüre eine Mischung aus Vorfreude und Gelassenheit. Ich stehe da, alleine und doch gemeinsam mit über 50.000 Teilnehmer:innen – wir alle haben ein gemeinsames Ziel – den Chicago Marathon 2023, die 42,195 km zu bewältigen.

Die amerikanische Nationalhymne erklingt und ich spüre Tränen in meinen Augen. Es herrscht komplette Stille.

In dem Moment war ich mit den Gedanken ganz bei mir. Die Vorfreude zu laufen überwiegt die Nervosität und ich fühle mich stark. Ich freue mich darauf. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl. Die Skyline von Chicago vor den Augen, die Brücke mit den 100en Fotograf:innen, und an diesem Tag den wolkenbedeckten Himmel mit etwas Wind und Gott sei Dank 6 Grad. 3 Tage davor hatte es noch 29 Grad.

Jeder Marathon ist anderes. Beginnend am Start, während dem Rennen, im Ziel und danach.

Es sind noch 10´ bis zu meinem Start. Jetzt erst – ich habe genau überlegt, wann ich beginnen soll meine Schichten auszuziehen, ist die wärmende Hose dran, die ich ausziehe und wegwerfe.

Der Block G, in dem ich stehe, beginnt sich langsam nach vorne zu bewegen. Ich stehe ganz hinten in meinem Startblock, da ich aufgrund der Qualifikation von 2019 in einem besseren Startblock zugeordnet wurde, ich aber weiß, wenn ich vorne stehe, die Versuchung, zu schnell zu beginnen, sehr groß ist.  

Chicago

Der Start: Der Startschuss für meinen Block G fällt – ein Gänsehaut Moment.

Die amerikanischen Zuschauer:innen sind sensationell – egal ob Weltrekordhalterin, amerikanische Meister oder eine 5 Stunden Läuferin aus Österreich – die Menge schreit Anfeuerungsrufe. Die Zuschauer:innen – sie werden die gesamten 42 km am Streckenrand stehen. Ich musste an meine Freundin denken, die mir vor dem Abflug ans Herz gelegt hat, ich soll die Stimmung genießen - und das mache ich.

Kilometer 7: Ich habe mich sehr gefreut meine Familie zu sehen und ich hole mir die nötige Energie mit den Peeretons, die ich bekommen habe.

Kilometer 14: Die Freude ist noch viel größer, dass mir meine Familie zujubelt. Ich dachte, sie stehen einen Kilometer zuvor, aber sie stehen genau hier und das steigert meine Motivation.

 

Chicago

Kilometer 21: Ich fühle mich richtig gut. Ich schaue auf die Uhr - Halbmarathon - 2:27:54 Stunden. Ich bin genau im Plan.

Ich freue mich und wage ein wenig daran zu glauben, mit dem Puffer von 2,5 Minuten und wenn es mir weiterhin so gut geht, es unter 5 Stunden schaffen zu können. Zu viele Marathons bin ich gelaufen, wo ich in der 2. Hälfte um einiges langsamer geworden bin. Aber Mike´s Worte höre ich immer – „Gehe es konservativ an. Ja nicht zu schnell in der 1. Hälfte.“

 

Chicago

Kilometer 28: Zu diesem Zeitpunkt, obwohl meine Oberschenkel ein wenig schmerzten, wusste ich, dass ich es ins Ziel schaffen werde und mein Ziel, den Marathon in unter 5 Stunden zu finishen, schon greifbarer wird, wenn es weiterhin so gut läuft.

Ich laufe, schaue kaum auf die Uhr und habe so sehr das Gefühl, die vielen Supporter:nnen die meinen Weg von zu Hause mitverfolgen, geben mir die Kraft, die ich jetzt brauche.

 

Kilometer 34 – das bedeutet Chinatown und dies stellte für mich normalerweise die Jahre zuvor immer eine riesen Herausforderung dar. Und das letzte Mal zum Anfeuern stehen mein Bruder Leo, meine Nichte Isabelle und mein Neffe Toni da und geben mir das Getränk für meine letzten 8 km und das gibt mir unendlich Kraft mein Tempo beizubehalten.

Chicago

Kilometer 38: Ich weiß ich habe nur noch 4 Kilometer vor mir und nach meinem 8. Chicago Marathon weiß ich, was mich erwartet – die ansteigende Brücke zum Schluss, wenn es nur mehr 350 Meter sind. Ich laufe entlang der Michigan Avenue, kann sogar das Tempo forcieren und lächle. Ich genieße es von den Zuschauer:innen angefeuert zu werden.

„Almost done!“, „You are looking good.”, “You are looking strong!” - diese Zurufe beflügeln mich.

Auf den letzten Kilometern waren meine Gedanken vor allem bei meiner Mama, die mir immer Kraft gegeben und mich unterstützt hat – und jetzt auch hier bei meinem 33. Marathon.

Die letzte Kurve nach rechts, ich sehe schon den Anstieg der Brücke.

Ich strahle – jetzt weiß ich, ich werde meinen 33. Marathon für mich mit einer tollen Zeit finishen.

100 Meter vor dem Ziel hole ich mir noch von meinem Neffen die Österreichische Fahne und laufe mit einem überglücklichen Gefühl und einer Zeit von 4.54:17 ins Ziel.

Ein Moment, bei dem man ganz mit sich bzw. bei sich ist.

I did it

Chicago

„I did it“ – Es war ein wunderschöner emotional aufgeladener Lauf, der mich förmlich durch die Straßen von Chicago getragen hat. Die Energie von den Powerfrauen in Österreich, die ich gespürt habe war unbeschreiblich. Mein Ziel – knapp unter 5 Stunden zu bleiben – habe ich erreicht. An diesem Tag hat einfach alles gestimmt.

Nach dem Rennen konnte ich eine Stunde schlafen und hatte für 18.00 Uhr eine Einladung zur Ehrung der Siegerin und des Siegers des 45. Bank of Amerika Chicago Marathons.

Danach ging es zum Familienessen und Feiern - ein super gutes Steak nach vier Tagen Pasta.

Aber schon jetzt schweifen meine Gedanken zum nächsten Ziel - ich möchte all diese gewonnen Energie von meinem 33. Marathon nutzen, um andere Menschen, vor allem Frauen zu motivieren, herauszufinden, was in ihnen steckt und was sie erreichen können. STAY TUNED – Das nächste Abenteuer für mich und für euch steht bevor.

Nachdem mich einige Freund:innen angesprochen haben, überlege ich mit einer Gruppe nach Chicago oder New York zum Marathon 2024 zu fahren und im selben Atemzug eine Laufreise  zu organisieren.

Hast du Interesse? Schreibe mir mit dem Betreff: Laufreise 2024

 

Zu meiner Marathon-Statistik

Von: 22500 Frauen, die gefinished haben – 14.581 Platz

In meiner Altersgruppe 65-69 103te von 224 Finisherinnen

Das war der Chicago Marathon!

Schau dir jetzt das Video an und entdecke Ilse mitten im 45. Chicago Marathon.